Ladenöffnungszeiten: Sonntagsruhe nicht dem Kommerz opfern!

Mit dem Slogan „Samstags gehört mein Vati mir“ gingen die Gewerkschaften in den 50er Jahren auf die Straße. Heute wäre gerade der Einzelhandel schon froh über die 6-Tage-Woche. In Wahrheit diskutieren wir längst über die Sonntagsöffnung. Muss das sein?

In den 1950er Jahren forderte die Gewerkschaft den freien Samstag - heute diskutieren wir die 7-Tage-Woche.
In den 1950er Jahren forderte die Gewerkschaft den freien Samstag – heute diskutieren wir die 7-Tage-Woche.

Der Einzelhandel hat zu kämpfen. Keine Frage: In Zeiten von Amazon und Internethandel zählt jeder Kunde. Und wenn er denn am Sonntag einkaufen möchte, dann soll es eben so sein, meinen viele. In NRW legt das Ladenöffnungsgesetz (LÖG) fest, dass am Sonntag die Geschäfte geschlossen bleiben, nennt dafür in Paragraf 6 aber auch Ausnahmen:

  • Verkaufsstellen, deren Kernsortiment aus Blumen und Pflanzen, Zeitungen und Zeitschriften oder Back- und Konditorwaren besteht, können sonntags bis zu fünf Stunden öffnen und dabei auch ein begrenztes Randsortiment feilbieten.
  • Wird vor Ort ein Fest, Markt, eine Messe oder eine ähnliche Veranstaltung gefeiert, dürfen auch die Geschäfte öffnen. Jedoch maximal vier Mal im Jahr für jeweils maximal fünf Stunden. (Dazu eine aktuelle Rechtsprechung)
  • Eine komfortable Sondersituation nehmen „Verkaufsstellen in Kurorten, Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrtsorten mit besonders starkem Tourismus“ ein. Sie dürfen „an jährlich höchstens 40 Sonn- oder Feiertagen bis zur Dauer von acht Stunden geöffnet sein. Neben den Waren, die für diese Orte kennzeichnend sind, dürfen Waren zum sofortigen Verzehr, frische Früchte, Tabakwaren, Blumen und Zeitungen verkauft werden.“

Mit letztgenannter Ausnahmeregelung begründeten die Geschäfte im Luftkurort Xanten, der zu meinem Landtagswahlkreis gehört, lange Zeit, warum sie praktisch jeden Sonntag geöffnet hatten. Aufs tatsächliche Sortiment schaute dabei niemand so genau, bis eine Anfrage der örtlichen Grünen die Stadtverwaltung zum Handeln zwang. Seitdem hat faktisch niemand mehr geöffnet – zu groß ist die Sorge vor Bestrafung.

Ist das Gesetz deshalb zu streng? Macht es am Ende den Einzelhandel kaputt und die Attraktivität der Innenstädte noch dazu?

Das Ziel eines Ladenöffnungsgesetzes darf aus meiner Sicht nicht in erster Linie die Wirtschaftsförderung sein. Es muss im Gegenteil vor allem zwei Dinge im Auge behalten:

  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdienen einen besonderen Schutz. Und ihre Familien ebenso. Wenigstens ein Tag in der Woche sollte ihnen frei bleiben zur Erholung und für gemeinsame Unternehmungen. Da hilft auch nicht der Hinweis, dass alle Beschäftigten doch freiwillig kämen und zum Teil den ansonsten freien Sonntag nutzten um etwas (nebenbei) zu verdienen.
    Für die Ladenbesitzer, die auf eigene Rechnung ihren Sonntag opfern, gilt dann zumindest das zweite Argument für ein Ladenöffnungsgesetz, das keine generelle Sonntagsöffnung festlegt.
  • Im 2. Buch Mose (23:12) steht: „Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun, aber des siebenten Tages sollst du feiern.“ Gemeint ist, die eigene christliche Religion zu begehen. Durch einen Gottesdienstbesuch etwa. Genau deshalb und wegen der damit einhergehenden Atempause in einer ansonsten stressigen Woche gibt es den Sonntag überhaupt. Ihn gilt es zu schützen.

Gerade an der Diskussion der sonntäglichen Ladenöffnungszeiten in Xanten stört mich, dass der St. Viktor-Dom und die Religion für die er steht, zu einer bloßen Kulisse degradiert wird. Im Schatten einer der bedeutendsten Kirchen am linken Niederrhein wird über das Geschäft mit den Touristen intensiver diskutiert als über die Frage, welche Bedeutung die Sonntagsruhe für eine christliche Gesellschaft hat. Ausnahmen vom Sonntagsverkaufsverbot gibt es nach wie vor viele – gerade für kleine Einzelhändler, die etwas Einzigartiges im Programm haben. Bundesweit agierende Discounter, Textilketten und sonstige Anbieter von Produkten des täglichen Bedarfs müssen nicht auch noch am Sonntag öffnen.

Gegen digitale Verkaufsplattformen, die 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche offen haben, besteht man nicht, indem man sonntags ein paar Stündchen öffnet.

„Ja, aber das Internet“, kommt ein letzter Einwand. Das Internet mache die Sonntagsöffnung überlebenswichtig. Anders könne man mit der Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit von Amazon und anderen nicht konkurrieren. Wer tatsächlich so denkt und dieses Argument nicht nur vorschiebt, hat aus meiner Sicht den Wettbewerb bereits verloren! Gegen digitale Verkaufsplattformen, die 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche offen haben, besteht man nicht, indem man sonntags ein paar Stündchen öffnet. Statt sich hierfür ins Zeug zu legen und in Rage zu reden, sollten bessere Internetpräsenzen geschaffen und der Einkauf insgesamt zum Erlebnis gemacht werden. Die Einkaufsatmosphäre in Xanten und anderswo stimmt längst. Mit Standortgemeinschaften und starken Werberingen, die sich z.B. zu einheitlichen Öffnungszeiten bereitfinden, wird ein Einzelhandelsstandort zusätzlich attraktiv. Und Besucher, die durch den jeweiligen Ort flanieren und ihn genießen, kommen dann gerne ein andermal wieder oder bestellen das, was sie eben im Schaufenster gesehen haben, dann eben später beim örtlichen Händler im Internet.

Hinweis:
Einen Blick auf die Zukunft unserer Innenstädte in digitalen Zeiten habe ich hier geworfen.

1 Kommentar zu „Ladenöffnungszeiten: Sonntagsruhe nicht dem Kommerz opfern!“

  1. Sehr geehrter Herr Schneider,
    wenn die Einzelhändler in Xanten sich mit dem Wunsch an den Landtag wenden, die Sonntagsöffnungszeiten anzupassen, so wollen sie nicht mehr oder weniger, als eine Rechtssicherheit, die es ihnen erlaubt an Sonntagen ihre Läden im Rahmen der gesetzlichen Ausnahmergelung öffnen zu können.
    Herr Möwius von der RP hat das Wie am Samstag, dem 25.06.2016 trefflich formuliert, er schreibt: Einen interessanten Aspekt hat René Schneider in die Debatte um die Sonntagsöffnung in der Touristenstadt Xanten getragen:

    Er sagte wörtlich: „Souvenirs, Devotionalien, alles was einzigartig ist für Xanten, können nach wie vor an 40 Sonntagen im Jahr feilgeboten werden. An der ein oder anderen Stelle könne man im Sortiment nachsteuern, um rechtlich einwandfrei zu agieren.“ Bisher war man davon ausgegangen, dass eine Buchhandlung am Sonntag zwar den Xanten-Reiseführer oder die Radwanderkarte verkaufen darf, nicht aber den aktuellen Roman von John Grisham, auch wenn der Gast ihn abends im Hotel lesen möchte. Oder dass zwar der Xantener Tee über die Ladentheke gehen darf, aber kein Roiboss-Tee aus Südafrika. Wenn Scheider rechtssicher aus Düsseldorf mitbringt,
    dass bei entsprechenden touristischen Artikeln auch der Rest des Sortiments verkauft werden darf, dürfte schnell die Luft aus der Debatte sein.
    Ansonsten wäre das genau die Stelle, an der Schneider im Landtag nachbessern sollte. Dem ist nichts hinzuzufügen.

    Sehr geehrter Herr Schneider, Sie werden mir sicherlich zustimmen, wenn ich Xanten als einen intakten Ort bezeichne,
    der die Ziele der Tourismuswirtschaft gut umgesetzt hat.
    Leerstehende Ladenlokale finden Sie hier kaum bis gar nicht.
    Das durch die funktionierende Innenstadt Arbeitsplätze gesichert werden, gehört dazu.
    Das Argument der Gewerkschaften, Sorge um die Freizeit der Arbeitnehmer zu dokumentieren, ist Ehrenhaft. Wo blieb diese Sorge bei der Erweiterung der Ladenöffnungszeiten bis in die Nachtstunden, war die Lobby der großen Märkte hier so stark, dass man ihr nicht wiederstehen konnte; oder wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
    Wir kleinen Städte haben diese Lobby nicht, wir betrachten unsere Abgeordneten im Landtag und Bundestag als Vertreter unserer Interessen und vertrauen darauf, das diese ihre Stimme für uns einbringen, sie sind unsere Lobby.

    Ihrer Anmerkung, die Kirchen betreffend, ist nichts hinzuzufügen. Allerdings, wenn man diese Argumente ernst nimmt, müßten allgemein, bis auf einige notwendige Dienste, Krankenhäuser u.s.w. viele Gewerke und liebgewordenen Gewohnheiten die
    Sonntagsruhe strikt einhalten, nicht nur in Xanten.
    Insofern eignet sich hier das kirchliche Argument nicht umbedingt.

    Ihr Hinweis auf das Internet ist richtig. Natürlich muß jeder Kaufmann die Zeichen der Zeit erkennen und sich den neuen Anforderungen stellen. Viele Einzelhändler, auch in Xanten, haben dieses erkannt und nutzen diese Plattform. Allerdings eignet sich das Internet nicht für jede Branche.

    Xanten muß sich auf seine Stärken besinnen. In der schnelllebigen Zeit in der wir leben, bieten wir das, was viele
    Menschen in ihrem Alltagsleben mit Internet, Smartphon und co.
    vermissen. Gemütlichkeit, Atmosphäre und Zeit zum Regenerieren. Xanten und weitere Städte in NRW haben das begriffen, das ist ihre Wirtschaftskraft, die ihnen das Überleben sichert. Auch der Gesetzgeber hat mit der Ausnahmeregelung
    für 40 Sonntage im Jahr, dieser Tatsache Rechnung getragen.
    Allerdings bleibt der Gesetzestext, wie in vielen Fällen, schwammig. Die Formelierung, ortsübliche Produkte, will sicher darauf hinweisen, dass der Besucher ein Mitbringsel für die Lieben Daheim erstehen kann, aber muß dieses Teil umbedingt den Aufdruck Xanten, oder ein Bild vom Dom tragen.
    Wäre nicht die Formelierung, Touristenbedarf und Geschenk-artikel auch Textil, hier besser angebracht?
    In diese Katagorie würden sowohl die von Herrn Möwius angesprochenen Bücher, als auch das Spielzeitauto für den Enkel oder das T-Shirt für die Tochter u.s.w. fallen.
    Die Xantener Kaufleute hätten Rechtssicherheit und der Standort
    Xanten könnte an Attraktivität gewinnen.

    Ich würde mich freuen, wenn Sie sich in diesem Sinne für uns verwenden würden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Hans de Fries

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