Jeder verdient Respekt!

Respekt zeigen

In den großen Ferien musste mein Vater oft arbeiten. Also besuchte ich ihn in dem kleinen Kfz-Teile Laden, den seine Firma als Außenstelle in Kamp-Lintfort eröffnet hatte. Von morgens bis abends, unterbrochen nur von der obligatorischen Mittagspause, war er auf sich allein gestellt. Die passenden Teile finden, im Mutterhaus nachbestellen, Auspuffrohre aus dem Keller holen oder Autobatterien frisch befüllen: All das gehörte zur Arbeit, die mein Vater tat. Die Kunden, die kamen, begegneten ihm dabei mit Respekt. Und ich, der ich auf dem Drehstuhl hinter dem Tresen alles mitverfolgte, tat es ihnen gleich. Stolz waren wir beide.

"Wer sich für andere einsetzt, hat Respekt verdient", meint René Schneider.
„Wer sich für andere einsetzt, hat Respekt verdient“, meint René Schneider.

Als Vater wünsche ich mir heute, dass meine Kinder einmal ebenso stolz sind auf das, was ich aktuell tue. Allerdings wachsen in mir die Zweifel, wenn ich sehe, wie Politiker in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Unabhängig von der Person landen wir auf der Beliebtheitsskala regelmäßig ziemlich weit hinten (vgl. Berufsprestige-Skala http://bit.ly/JBVMKo). Nach landläufiger Meinung sind wir alle ziemlich faul, raffgierig und nur wenig am Gemeinwohl orientiert. Unsere viele Tagesfreizeit verbringen wir – vom Volk bezahlt – mit sinnlosen Reisen und Empfängen.

Ich bin alarmiert

Ein Bild, das leider allzu oft unwidersprochen weitervermittelt wird. Vor einiger Zeit resümierte der Journalist Jürgen Stock in seinem Wochenrückblick für die Rheinische Post Moers: „Es beruhigt, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, denen noch weniger Vertrauen entgegengebracht wird als unsereinem.“ (RP-Moers, „Dank fürs Undankbare“, http://bit.ly/1ej7SlP)
Nein. Mich beruhigt das ganz und gar nicht. Im Gegenteil bin ich alarmiert von dieser Form der Gleichgültigkeit. Wer nicht widerspricht, nimmt hin. Wer wiederholt, akzeptiert das Gesagte. Ich glaube, dass das pauschal schlechte Ansehen von Politikerinnen und Politikern unberechtigt ist. Stattdessen wünsche ich mir, dass man Menschen, die sich – egal auf welcher Ebene – gesellschaftlich und politisch engagieren, mit Respekt und Anerkennung entgegentritt! Denn dies ist die Basis unserer demokratischen Gesellschaft. Das gilt nicht nur für Politiker, sondern auch für Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungsassistenten und all jene, die sich für andere einsetzen.

Lange vor seiner Kanzlerkandidatur hat Peer Steinbrück dies einmal bei einer sehr unterhaltsamen Rede auf einem Neujahrsempfang in seiner Heimatstadt Hamburg thematisiert. Der ehemalige Finanzminister stellte dort die Frage, wie man bei aller Abneigung ohne Parteien und Politiker den Willensbildungsprozess einer 80-Millionen-Gesellschaft gestalten will? Ein Ältestenrat bestehend aus lauter alten Männern oder die Abstimmung per TV-Fernbedienung seien da keine Alternativen. Wenn also niemand eine praktikable Lösung weiß, so bat Steinbrück in seiner viertelstündigen Rede, die man bei Youtube abrufen kann (http://bit.ly/KddEN2),„dann bitte ich, Ihre Kritik gegenüber Parteien und Politikern soweit zu dosieren, dass dies nie in Verachtung umschlägt und eine Verweigerung“.

Politiker greifen ins Alltagsleben ein

Anders als bei anderen Berufsgruppen kann man Politikern und ihrer Arbeit kaum aus dem Weg gehen, geschweigen denn sie ignorieren. Fernsehmoderatoren kann man einfach weg-zappen. Den Bankangestellten sieht man heute allenfalls, wenn man Geld leihen oder anlegen möchte. Um nur einmal zwei Berufe zu nennen, die im Ansehen (aus meiner Sicht ebenfalls unberechtigt) noch unter dem der Politiker angesiedelt sind. Sehr viel mehr als jede andere Berufsgruppe greifen wir Politiker in das Alltagsleben der Menschen ein. Ständig. Nichtraucherschutz, Beamtenbesoldung, Kommunal-Soli: Die Beliebtheit eines Berufsstandes steigert man mit diesen Entscheidungen aus meiner Alltagspraxis nicht. Aber um einen Beliebtheitswettbewerb darf es auch nicht gehen, wenn Sachentscheidungen zu treffen sind.

Die getroffenen Entscheidungen zu beschreiben, zu erklären und sie zu kommentieren ist Aufgabe der Medien. Sie haben als „vierte Gewalt“ im Staat die demokratische Debattenkultur zu pflegen und für Partizipation zu werben. Das gelingt leider nicht immer. Das Polit-Magazin Cicero beschrieb einmal den Umgang der Hauptstadtmedien mit Bundespolitikern. Unter dem Titel „Räuber und Schreiber“ heißt es: „Für die medialen Stimmungsmacher der Hauptstadt zählt einzig und allein: die möglichst spektakuläre, möglichst effektvolle Herabsetzung der Politik. Und so wird der Leser belehrt: Nichts, was Politiker tun, tun sie ehrlich. Nichts, was sie beabsichtigen, hat einen ehrenwerten Grund.“ (http://bit.ly/1fYjRqb)

Abwärtsspirale: viel reden, wenig sagen

Die oben geschilderten Umstände haben mehrere Folgen: Eine ständig drohende Herabwertung des eigenen Tuns produziert eine Generation von Politikern, die stromlinienförmig am liebsten viel redet, dafür aber wenig sagt. Das gefällt wiederum weder den Bürgern noch den Medien. Das setzt eine Abwärtsspirale in Gang, an deren Ende niemand mehr Lust daran hat, sich für das politische Gemeinwesen zu engagieren. Der „Dank fürs Undankbare“ tut deshalb allen Aktiven besonders gut. Die Unterteilung zwischen Kommunal- und Berufspolitikern dagegen weniger.

Hier geht es aber nicht um Medienschelte. Im Gegenteil ist dies nur eine Facette des Problems. Denn nicht nur die Medien sondern unsere gesamte Gesellschaft macht mittlerweile gerne mit beim Politiker-Bashing. Eben erst sah ich eine Karikatur bei Facebook, auf der Sigmar Gabriel über einen am Boden liegenden deutschen Michel, das Symbol für alle Bürgerinnen und Bürger, stolziert. Da macht einer Politik auf dem Rücken des „kleinen Mannes“ soll das heißen – und wird noch verstärkt durch die Textzeile: „Same procedure as every year“. Die Ressentiments werden mit solchen Beiträgen weiter geschürt: „Nichts, was Politiker tun, tun sie ehrlich. Nichts, was sie beabsichtigen, hat einen ehrenwerten Grund.“ (siehe oben) Likes und Kommentare sind diesem Beitrag deshalb sicher. So einfach, so gefährlich für unsere Demokratie.

Ich bin stolz auf unsere Demokratie und auf alle Menschen, die ihr ein Gesicht geben. Wer mit der Leistung eines Politikers nicht einverstanden ist, kann ihn bei nächster Gelegenheit abwählen – oder selber kandidieren! Wir sind eine Demokratie, die bereits auf kommunaler Ebene vom Mitmachen lebt. Darum ist es wichtig, allen Menschen ein Mindestmaß an Respekt zu zollen, sie in ihrem Tun zu beurteilen und nicht in ihrem Sein. So wünsche ich mir für das Neue Jahr schlicht eines: mehr Respekt bitte!

 

Dieser Beitrag erschien erstmals im November 2013 auf diesem Blog. Zur Woche des Respekts 2016 habe ich ihn behutsam aktualisiert. Die Botschaft bleibt unverändert: Ich bitte um mehr Respekt für all diejenigen, die sich für andere einsetzen.

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