Bürger Kamp-Lintforts: Schaut auf diesen Park!

In meiner Heimatstadt Kamp-Lintfort herrscht seit Jahren Aufbruchstimmung. Nach der Schließung der letzten Zeche am linken Niederrhein packten Politik und Verwaltung die Gelegenheit beim Schopfe und bewarben sich um die Landesgartenschau 2020. Erfolgreich war die Bewerbung vor allem aufgrund des bürgerschaftlichen Engagements. Jetzt schicken sich die Kamp-Lintforter an, auch die LaGa selbst mit Leben zu füllen. Ein wesentlicher Ort entlang von „Kloster, Kohle und Campus“ ist das ehemalige Gelände der Zeche Friedrich-Heinrich. Bei der Neugestaltung der Industriebrache kann man viel lernen von dem, was die Berliner im „Park am Gleisdreieck“ realisiert haben. Auf fünf Dinge, die mir dort aufgefallen sind, sollten wir auch in Kamp-Lintfort achten.

Ab und zu fahren auch (Bummel-) Züge durch den Park am Gleisdreieck - diese vertragen sich aber gut mit Radfahrern und Spaziergängern.
Ab und zu fahren auch (Bummel-) Züge durch den Park am Gleisdreieck – diese vertragen sich aber gut mit Radfahrern und Spaziergängern.
  1. Wir sollten die Erinnerungen an das, was die Fläche einmal war, so gut es geht am Leben erhalten. Damit gemeint ist eben nicht nur, die derzeit elf unter Denkmalschutz stehenden Gebäude zu bewahren. In Berlin hat man Prellböcke und Signalanlagen, Stellwerke und Gleise teilweise einfach dort gelassen, wo sie standen. Das erinnert an den einstigen Zweck und es verführt – vor allem beim Kamp-Lintforter Pendant – dazu, beim Besuch des Park zu erzählen. Eltern und Großeltern ihren Kindern und Enkelkindern.

    Weil Relikte aus der vorherigen Nutzung des Geländes als Gleisdreieck nicht abgerissen wurden, gehen Industrie und Natur eine spannende Symbiose ein. Und die Menschen erinnern sich daran, wie es hier einst aussah.
    Weil Relikte aus der vorherigen Nutzung des Geländes als Gleisdreieck nicht abgerissen wurden, gehen Industrie und Natur eine spannende Symbiose ein. Und die Menschen erinnern sich daran, wie es hier einst aussah.
  2. Wenn wir zulassen, dass die Natur sich ihren Platz zurück erkämpft, entstehen aus der Mischung von Industrie und Ruderal-Grün, wie die Fachleute das ganze gerne nennen, ungewöhnliche Bilder fürs Auge. Da frisst sich über Jahre hinweg ein Baum durch einen Prellbock. Birken und Gräser bedecken Schienen und Schotterbetten. Das hat am Ende einen ganz eigenen Charme und funktioniert auch an vielen Stellen im Ruhrgebiet ausgezeichnet. Also nicht alles abreißen, leer räumen und dann glatt ziehen, sondern im Gegenteil die Ecken und Kanten des Geländes hervorheben!

    Die Natur macht auch vor Prellböcken keinen Halt. Sie holt sich zurück, was ihr ohnehin gehört - und sieht dabei toll aus.
    Die Natur macht auch vor Prellböcken keinen Halt. Sie holt sich zurück, was ihr ohnehin gehört – und sieht dabei toll aus.
  3. Manche Dinge muss man erklären, weshalb Orte und Dinge benannt gehören. Das kann man mit großen Schautafeln machen, das funktioniert an vielen Stellen aber auch ganz leicht (und vandalismussicher) mit auf den Boden gesprayter Schrift. Und das sieht dann auch noch stylisch aus! Überhaupt sollte man auch beim Stadtmobilar (wieder so ein Expertenwort, gemeint sind Bänke, Mülleimer und dergleichen) darauf achten, dass Vandalen hier keinen Spaß haben. Möglichst robust muss das sein, was auf dem Gelände platziert wird.

    Die Schrift am Boden sagt: Ein Stellwerk ist ein Stellwerk ist ein Stellwerk...
    Die Schrift am Boden sagt: Ein Stellwerk ist ein Stellwerk ist ein Stellwerk…
  4. Angenommen wird ein Park am Ende nur, wenn man die Menschen, die ihn nutzen sollen, auch bei der Entstehung mit einbezieht. Am Gleisdreieck gibt es dafür unter anderem einen „Interkulturellen Garten Rosenduft“. Übrigens ist die Integrationskraft, die vom gemeinsamen Gestalten einer solchen Scholle ausgeht, nicht zu unterschätzen. In Osnabrück etwa kommen Familien, die in Deutschland Asyl suchen, in einem Kleingartenverein mit deutschen Gärtnern zusammen und gestalten ihre kleine, grüne Welt. Warum soll das nicht auch in Kamp-Lintfort möglich sein? Ohnehin wird sich die Stadt so nach und nach ins Gelände hinein entwickeln. Denn zentral ist der letzte Punkt:

    Gemeinsam gärtnern verbindet die Menschen.
    Gemeinsam gärtnern verbindet die Menschen.
  5. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern wieder einen Raum zurück geben, der über 100 Jahre lang mitten im Herzen der Stadt lag, ohne dass er von breiten Teilen der Bevölkerung betreten werden durfte. Dafür braucht es Schnittstellen, Zugänge, Wege. Diese kann man auf dem Reißbrett ziehen. Wirkungsvoller aber ist es, zu sehen, welche Laufwege sich die Menschen in Zukunft selber suchen. Stichwort Schwarmintelligenz: Ich erinnere mich da an die Universität Oregon, die Wege danach pflastern ließ, wie die Studierenden sie quasi zuvor auf der eigens gesäten Wiese niedergetrampelt hatten.

    An vielen Stellen schneiden Wege eine Bresche in den Park, der lange "verbotene Welt" war, weil hier Züge fuhren.
    An vielen Stellen schneiden Wege eine Bresche in den Park, der lange „verbotene Welt“ war, weil hier Züge fuhren.

Vieles ist bereits in den zahlreichen Arenen, die die Stadt über Jahre veranstaltet hat, vorgedacht worden. Es gibt einen Masterplan für die Gestaltung des Bergwerks West. Wenn es jetzt an die Umsetzung geht, sind die Bürgerinnen und Bürger wiederum gefragt. Ein Blick, was anderswo erfolgreich läuft, kann da nicht schaden. Der Berliner „Park am Gleisdreieck“ ist nur ein Beispiel von vielen. Das Prinzip muss lauten: Gut kopiert ist immer besser, als schlecht selber gemacht. Also ran an die guten Ideen!

 

So könnte das Gelände des ehemaligen Bergwerks West im Jahre 2020 aussehen.
So könnte das Gelände des ehemaligen Bergwerks West im Jahre 2020 aussehen.

 

 

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