Abgerechnet: 180 Euro für den Hauch von Nichts

Irgendwann packt er immer diesen dicken Stift aus und schreibt Zeile für Zeile auf, was der Monat kostet. Schuldenberater Peter Zwegat ist da erbarmungslos und kommt zum immer gleichen Schluss: Das könnt Ihr euch eigentlich gar nicht alles erlauben! Vielleicht ist die Überraschung beim jungen Pärchen in zweiter Ehe und mit drei Kindern auf dem Sofa dann auch deshalb so groß, weil viele der durchlaufenden Posten im wahrsten Sinne des Wortes aus der Luft gegriffen scheinen. Internet und Telefon, Rundfunkgebühr und Kabelanschluss, Spotify-Abo und Film-Flatrate von Watchever: Das alles kann man nicht greifen und doch möchte man es nie wieder aus der Hand geben.

Wenn ich morgens zum iPad greife, lade ich als erstes meine Zeitungsausgaben von WAZ und Rheinischer Post herunter (rund 40 Euro im Monat). Das natürlich drahtlos über die Internetverbindung, die mir die Telekom mitsamt Entertain-Paket und Telefonie für 49 Euro im Monat zur Verfügung stellt. Später unter der Dusche singe ich zum neuesten Song, der mir auf Spotify angeboten wurde (knapp 10 Euro im Monat). Den kann ich seit Neuestem auch mitnehmen aufs Handy, das mich – ebenfalls powered by Telekom – für 50 Euro im Monat ständig auf dem Laufenden hält. Apropos auf dem Laufenden halten: TomTom und seine Live-Dienste bewahren mich für 50 Euro im Jahr davor, allzu oft in die Stau-Falle zu geraten.

Im Büro nutze ich dann wie selbstverständlich digitale Annehmlichkeiten wie

  • Photoshop aus der Cloud zum Bearbeiten von Bildern (12,29 Euro im Monat)
  • Wunderlist zum Organisieren – und vor allem Verteilen – von Aufgaben (4,49 Euro im Monat)
  • Evernote für die Verwaltung der Flut an Informationen, die täglich in allen möglichen Politikfeldern auf mich einstürzen (5 Euro im Monat)
  • Speicherplatz von Apple für die vielen Bilder und Daten – ebenfalls in der Cloud (16 Euro im Jahr)

Wenn’s dann auf die Zielgerade des Tages geht, schaue ich mir zu Hause gerne noch eine gute Serie an. Dank Amazon-Prime und seinem Videoangebot darf ich aus einer schier unendlichen Auswahl schöpfen. Wieder per Flatrate und diesmal für 49 Euro im Jahr.

Knapp 180 Euro kostet mich das digitale Grundrauschen monatlich - viel Geld für nichts.
Knapp 180 Euro kostet mich das digitale Grundrauschen monatlich – viel Geld für nichts.

Neuerdings beschäftige ich mich mit der Frage, ob „Amazon Kindle Unlimited“ (derzeit in den USA für 9,99 $ zu haben) meine Gier nach neuen Büchern stillen hilft und Audible.de (ab 4,95 Euro im Monat) das Problem behebt, dass ich am Steuer sonst Lebenslesezeit vergeude. Eben erst hat die Deutsche Grammophon eine App vorgestellt, mit der klassische Musik aus dem enormen Fundus dieser Institution gestreamt werden kann (für 3,59 Euro im Monat oder 31,99 Euro im Jahr).

Unter dem Strich zahlen meine Familie und ich für die Teilhabe am digitalen Leben rund 179,78 Euro im Monat. Damit begleichen wir die Rechnung für unser digitales Grundrauschen. Wir zahlen für den Zugang zu virtuellen Kulturgütern, die uns wie Sand am Meer geboten werden. Jedoch zerrinnen sie uns zwischen den Fingern, sobald wir versuchen sie festzuhalten. Es bleibt nur Schall und Rauch, denn am Ende nutzen wir alles und besitzen doch nichts.

Das klingt pessimistisch und doch liebe ich es. Ich habe immer alles dabei und finde doch kaum Zeit alles zu nutzen. Es entrümpelt die Regale daheim und erdrückt mich doch beim Durchforsten der unendlichen Abspiellisten im Netz. Es ist nicht der Untergang des Abendlandes, sondern der Beginn der schönen neuen (Medien-) Welt.

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